Jewish Border Biographies ‒ Jüdische Lebenswelten in den Karpaten unter multiplen Grenz- und Staatenwechseln, 1914-1944
Teilprojekt der Projektleitung: Prof. Dr. Julia Richers
Die jüdische Bevölkerung der östlichen Karpaten, die sowohl innerhalb des Königreichs Ungarn, als auch in der späteren Tschechoslowakei im Landesschnitt nie fünf Prozent überschritt, machte in manchen Ortschaften wie etwa der Stadt Munkács/Mukačevo über 40 Prozent aus. Die jüdische Bevölkerung war in den Karpaten somit keine marginale Minderheit, sondern umfasste einen substantiellen Teil von Dorfgemeinschaften und regionalen Zentren. Neben dieser für die damalige Zeit in diesem Teil Europas aussergewöhnlichen Konstellation war eine weitere Besonderheit, dass das mehrheitlich orthodoxe und chassidische Landjudentum durch Ackerbau, Vieh- und Holzwirtschaft unter prekären Lebensverhältnissen eng mit der ruthenischen/huzulischen Bevölkerung weitgehend friedlich zusammenlebte.
Gleichzeitig unterstellte man gerade der jüdischen Bevölkerung chronisch bei jedem Staatswechsel konstant fehlende oder mangelnde Integration und Loyalität den neuen Machthabern und ihren nation building-Projekten gegenüber. Das Projekt geht der Frage nach, wie Jüdinnen und Juden das Zusammenleben unter ständigen Grenz- und Staatenwechsel erlebten, wie veränderte sich ihr Alltag mit neuen Gesetzgebungen, wie die Wahrnehmung von Zugehörigkeit? Entlang welcher Grenzen verliefen Identifikationen und Differenzmarker?
Durch die Fokussierung auf individuelle Lebenswelten, Biographien sowie ihre wichtigsten Bezugs- und Referenzkategorien wird dieses Teilprojekt einen wichtigen Forschungsbeitrag zur untererforschten jüdischen Geschichte der Karpaten, zum Thema Border Biographies, zu Fragen der Loyalitäten und (Mehrfach-)Identifikationen, zu Mechanismen der Inklusion und Exklusion sowie zur methodisch-theoretischen Erweiterung der Grenzforschung leisten.