Das Dritte Reich in einer imperialen Welt: Deutsche Agrarkarrieren zwischen Europa und den Tropen
Das Forschungsprojekt möchte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den imperialen Verflechtungen Deutschlands im späten 19. und vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beitragen. Es behandelt durch einen transnationalen und empirisch gesättigten Anstaz koloniale Biographien, Wissenstransfers und Expertenkulturen, die die Weimarer Republik und den NS-Staat mit globaler landwirtschaftlicher Expertise und der Geschichte von unfreier Arbeit und Zwangsarbeit verbanden – auch über die Zäsur von 1945 hinaus, da deutsche Agrar-Experten auch nach dem Zweiten Weltkrieg, in der anbrechenden Phase der Dekolonisierung, hohe Positionen als Berater, Plantagenmanager und Besitzer in europäischen übersee-Kolonien bekleideten. Erste Ergebnisse des Vorhabens sind im Artikel «The Plantation Gaze» (mit Christof Dejung, 2021) veröffentlich wurden, und waren Grundlage mehrerer internationaler Vorträge und Vorlesungen.
«Waste/Resources» als Gegenstand historischer/kulturwissenschaftlicher Forschung
Lehrstuhlübergreifendes Forschungsprojekt an der Universität Bern zu einem interdisziplinären, breiten, globalen und neuen Forschungsfeld. Die Treffen der Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Umweltgeschichte, der Schweizer, Osteuropäischen und Neueren Allgemeinen Geschichte umfassen die Organisation von Vortragszyklen sowie thematische und konzeptionelle Diskussionen mit Publikationsabsicht für ein einschlägiges Themenheft einer internationalen Fachzeitschrift.
Empire of Scarcity: Empire of Scarcity: A Global History of Assam Rubber
Habilitation
Mein Habilitationsprojekt behandelt die politische Ökonomie des britischen Weltreichs anhand der strategischen Ressource Gummi. Anhand eines globalgeschichtlichen Ansatzes untersucht die Arbeit im Besonderen die prosperierende Entwicklung, den Niedergang und die erneute Mobilisierung der Commodity Frontier für Gummi in Nordost-Indien (Assam) von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die Jahre nach der indischen Unabhängigkeit. Als Folge von zunehmendem Raubbau an ‚wilden‘ Kautschukbeständen entlang der Tropen lancierten dort britische Wissenschaftler 1873 die erste große Kautschukplantage der Welt. Verstanden als ein Akt imperialer Prävention, um gefürchtete Rohstoff-Knappheiten in der Zukunft zu verhindern, zeigt die staatliche betriebene Ressourcen-Extraktion von sowohl wildem als auch systematisch kultiviertem Gummi, wie sich im Zeitalter der Industrialisierung neue Funktionen und Handlungslogiken imperialer Bürokratien unter dem Druck von Knappheits-Diskursen herausbildeten, und industrielle Produktionszentren in Assam entstanden.
Zudem erforscht das Buch, wie der koloniale Staat einheimische Kleinbauern in der Kultivierung von Kautschukplantagen schulte. Durch diese Entwicklungspolitik griff die Administration tief in die lokale Sozial- und Agrarstruktur ein, da tribal communities zunehmend in marktwirtschaftliche Dynamiken und die Geldwirtschaft integriert wurden. Gleichzeitig kooperierte die britische Administration mit indischen Kaufmannseliten wie den kapitalreichen Marwari-Händlern, die zunehmend den Export von Wildkautschuk kontrollierten, und imperiales Recht und Institutionen für eigene Zwecke und Interessen vereinnahmten. Dies erlaubt es, detailliert zu untersuchen, wie wichtig auch nichtwestliche Akteure für die Herausbildung des globalen Kapitalismus waren. Durch die zeitlich weitgefächerte Studie werden nicht nur die politische Regulierung von Raubbau an wilden Forstbeständen, die Errichtung offizieller und dann privater Plantagenökonomien für Kautschuk im 19. Jahrhundert mit ihren geschlechtsspezifischen Arbeitsformen, sondern auch Fragen von internationalen Ressourcen-Kartellen in der Zwischenkriegszeit sowie die Steuerung von Kriegswirtschaften im 20. Jahrhundert in den Blick genommen. Die Arbeit betrachtet zuletzt auch die ökonomischen, sozialen, und umweltgeschichtlichen Transformationen der Dekolonisierung und fragt nach den Kontinuitäten tropischer Ressourcen-gewinnung und Weltmarktintegration ländlicher Gesellschaften über politische Zäsuren hinweg.
The Temporalities of Capitalism. Time, Timing and the Formation of the World Economy
Forschungsprojekt (mit Christof Dejung, Bern)
Die Geschichte des Kapitalismus ist in den letzten zehn Jahren disziplinenübergreifend auf ein wachsendes Interesse gestoßen. Doch obwohl bahnbrechende Studien wie die von E. P. Thompson (1967) oder Jacques Le Goff (1960) die Rolle neuer Zeitregimes bei der Durchsetzung des Kapitalismus untersuchten, haben bisher nur wenige Studien das Thema direkt adressiert (Sewell 2008; Beckert 2016; Ogle 2019). Das begonnene Forschungsprojekt wird historiographisches und analytisches Neuland betreten, indem es die Bedeutung zeitlicher Regime für den Durchbruch und die Krisen des Kapitalismus in bestimmten Regionen und Zeitabschnitten untersucht. Indem es die Geschichte der Temporalitäten, die sich zu einem lebendigen Forschungsfeld entwickelt hat, mit der Geschichte des Kapitalismus verknüpft, geht es der Frage nach, inwieweit die Wirtschaftsgeschichte im Allgemeinen und die Geschichte des Kapitalismus im Besonderen nicht verstanden werden kann, ohne die kulturellen Prozesse zu untersuchen, die die Durchsetzung spezifischer ökonomischer Strukturen und Praktiken begleitet und oft erst ermöglicht haben. Im Mittelpunkt des kollaborativen Forschungs- und Publikationsprojekts stehen folgende Fragen: Sind kapitalistische Ökonomien durch eine bestimmte Art des Zeitmanagements und der Zukunftsberechnung strukturiert? Ist es sinnvoll, zwischen verschiedenen Spielarten des Kapitalismus (Handelskapitalismus, Industriekapitalismus, Finanzkapitalismus, usw.) zu unterscheiden, die sich jeweils durch bestimmte Zeitregime auszeichnen?