Nacht der Forschung vom 10. September 2022

Das CV im Mittelalter – Berner Gelehrten auf den Fersen

Mobilität, Networking, Erwerb und Austausch von Wissen. Heute normal in Bildung und Beruf – doch schon für Gelehrte im Spätmittelalter zentral. Wie für die Gegenwart stellen sich damit auch für die Gelehrtenwelt im Mittelalter entsprechende Fragen:

Woher kommen die Studierenden und wo schreiben sie sich ein? Wer studiert, wer macht einen Abschluss und welche persönlichen Netzwerke bilden sich durch das Studium? Welche Positionen und Funktionen standen im Mittelalter diesen «Akademikern» im Anschluss an ihr Studium offen – und wie standen sie hierbei in Konkurrenz zu Personen, die sich ihr Wissen in der Praxis erworben hatten? Wie wurde das an den Universitäten erworbene Wissen angewandt und weitergegeben?

Antworten auf diese Fragen soll das von der Burgergemeinde unterstützte Forschungsprojekt Repertorium Bernense am Beispiel des Alten Bern für die Zeit zwischen 1300 und 1550 liefern, welches an der Abteilung Mittelalter des Historischen Instituts der Universität Bern durchgeführt wird. Im Projekt werden Lebens- und Karrierestationen sowohl studierter als auch nicht studierter Amtsträger erfasst und anschliessend mittels interaktiver Datenvisualisierung ausgewertet und präsentiert. Dabei zeigt sich etwa auf einer Europakarte, dass sich erwartungsgemäss nur wenige Berner auf eine Pilgerreise nach Jerusalem begaben oder als Feldärzte in Skandinavien ihr Glück fanden, während die meisten in ihrer Berner Heimatregion, im Gebiet der heutigen Schweiz oder auch im heutigen Süddeutschland tätig waren.

Im Rahmen der Nacht der Forschung der Universität Bern am 10. September 2022 stellt sich das Forschungsprojekt Repertorium Bernense mit Kurzvorträgen, Postern und interaktiven Visualisierungen zu eindrücklichen Lebensläufen vor.

Als Beispiel für letzteres dient die obere Abbildung mit einer Darstellung des Lebensweges von Nikolaus Wynmann aus Saanen (1510 bis ca.1550). Der reisefreudige Wynmann hat nicht nur auf einem Segelschiff das heutige Polen und Dänemark besucht, sondern 1538 das erste Schwimmlehrbuch verfasst (Colymbetes, Sive De Arte Natandi). In diesem gibt er eine praktische Anleitung zur Schwimmtechnik, wie wir sie heute noch anwenden.

Es besteht zudem am 10. September die Gelegenheit, selbst Abfragen in der Datenbank zu tätigen. So lässt sich beispielsweise überprüfen, welche Gelehrten aus dem eigenen Wohnort stammen oder wie mobil Studenten damals waren, welche Netzwerke mittelalterliche «Akademiker» pflegten oder auch welche Art von Texten sie verfassten. Für die jüngeren Besucher:innen steht ein Kinderprogramm bereit, wobei sie sich auf den Spuren eines Berner Stadtschreibers quer über das Gelände der Nacht der Forschung begeben.