Bereits die scholastische Wissenskultur des hohen Mittelalters kannte vehemente Kritiker, später traten die Humanisten gegen die Universitäten auf, bis sich während der Reformationszeit ein vorläufiger Höhepunkt der Institutionenkritik einstellte. Schon in dieser frühen Phase ist zu unterscheiden, dass Kritik einerseits von innen kommen konnte, also eher auf eine Reform als auf eine Aufhebung der Universitäten zielte, oder aber von aussen als radikale Infragestellung dieser Wissensinstitution formuliert wurde. Mit dem Elfenbeinturm entstand im 19. Jahrhundert ein wirkmächtiges Bild der Universitäten, das für die soziale Entfremdung des Akademischen vom Rest der Gesellschaft steht und auf das noch heute gerne Bezug genommen wird, wenn es darum geht, sich von der Institution und ihres Lehrkörpers abzugrenzen.
Im Zentrum der Tagung soll weniger die Selbstkritik des Wissenschaftssystems stehen, sondern die radikale Infragestellung von aussen. Die Grausamkeiten des Nationalsozialismus in Deutschland und des Pol Pot‑Regimes der Roten Khmer in Kambodscha bilden dabei traurige Höhepunkte.
Für die jüngere deutsche Geschichte gelten das Jahr 1968 und die sogenannten 68er als Chiffre einer radikalen Kritik der akademischen Institutionen und Denkstile. Institutionenkritische Ansätze wie die Geschlechterforschung oder die Postcolonial Studies sind jedoch in jüngerer Zeit selbst zur Zielscheibe des Ressentiments gemacht und unter Ideologieverdacht gestellt worden. Die Freiheit der Rede scheint wiederum gerade an den Universitäten in einer Krise zu stecken, aus dem akademischen Freiraum könnte ein «Unsafe Space» werden. Hier setzt die Tagung ein, die sich das Ziel gesetzt hat, nach Formen von Antiakademismus und Wissenschaftskritik in der ‘longue durée’, vom Hochmittelalter bis zur heutigen Zeit, zu fragen und dabei auch deren mediale Repräsentation etwa in der Kunst einzubeziehen.