Traductions helvétiques de l’Antiquité – Helvetische Übersetzungen der Antike

Abgeschlossenes Projekt, finanziert durch den Schweizerischen Nationalfonds (Mai 2015 – März 2020)

Projektleitung

Mitarbeitende

Das Projekt verfolgte das Ziel, die "Übersetzungen der Antike" in der Schweiz, d.h. die epistemologische Entwicklung der Verwissenschaftlichung der Forschungen über die griechische und römische Antike an den Schweizer Universitäten in der ersten Hälfte des 20. Jh. zu erarbeiten. Der umfassende Anspruch, diese "Übersetzungen" im Sinne einer Aneignung, Adaptation und Transformation des Wissens über das Altertum nachzuzeichnen, wurde im Laufe des Arbeitsprozesses auf realisierbare Einzelprojekte zugespitzt. Das erste Teilprojekt richtete Severin Thomi auf ein exemplarisches Beispiel aus, die Publikation von Felix Staehelins Die Schweiz in römischer Zeit im Jahre 1927 (mit Neuauflagen 1931 und 1948), an dem die Integration altertumswissenschaftlicher Forschung in nationale Diskurse und zugleich die internationale Verflechtung der an den Universitäten Basel, Bern, Fribourg und Zürich praktizierten Althistorie untersucht werden konnte. Die komplexe Recherche nach Zeugnissen über das Lebenswerk von Juliette Ernst, die bibliographische Zeitschrift L'Année Philologique und die internationale Zusammenarbeit der Altertumswissenschaften zwischen den 1920er und 1950er Jahren erwies sich als Herausforderung, der sich Ilse Hilbold im zweiten Teilprojekt stellte. Mit der Erschliessung neuer Archivmaterialien und mit Zeitzeugen-Interviews entwickelte sie einen ursprünglich biographischen Ansatz zu Juliette Ernst, die als Schweizerin ohne Universitätsabschluss Marouzeaus Projekt der Année Philologique über sechzig Jahre hauptverantwortlich bestimmte, zu einer Reflexion über die Geschichte der Bibliographie als Grundlage wissenschaftlicher Entwicklung im 20. Jh. Das von Silvia Guerreiro bearbeitete dritte Teilprojekt untersuchte die internationalen Beziehungen der Altertumswissenschaften an den westschweizerischen Universitäten und insbesondere die Kooperationen mit dem faschistischen Italien und mit Frankreich. Im Ergebnis legte das Projekt exemplarische Studien zur Verflechtungsgeschichte der Altertumswissenschaften in der deutschsprachigen Schweiz vor, eine parallele Forschungsgeschichte zur Romandie und die Untersuchung einer einzelnen Person, an deren Beispiel sich schweizerisch verankerte Verknüpfungen zwischen französischen und deutschen Wissenschaftstraditionen und zugleich die Frage der Handlungsspielräume weiblicher Akteurinnen in den Altertumswissenschaften der ersten Hälfte des 20. Jh. behandeln liess.

Publikationen:

Ilse Hilbold, Laura Simon, Thomas Späth, «Die Fäden der Altertumswissenschaften in einer Hand: Mademoiselle Ernst und die Antike im 20. Jahrhundert», in: EuGeStA. Journal on Gender Studies in Antiquity 6, 2016, 187-216.

Ilse Hilbold, Laura Simon, Thomas Späth, «Holding the reins: Miss Ernst and Twentieth Century Classics», in: Classical Receptions Journal 9/4, 2017, 487-506.

Ilse Hilbold, «Les archives d’une bibliographe des sciences de l’Antiquité : Juliette Ernst et la fabrique des relations internationales», in Anabases. Traditions et réception de l'antiquité 29, 2019, 13-20.

Ilse Hilbold, «Jules Marouzeau et l'Année Philologique : aux origines d'une réforme de la bibliographie des études classiques», in Revue des Études Latines 97, 2019, 239 – 258.

Ilse Hilbold, «Jules Marouzeau and L’Année philologique: The Genesis of a Reform in Classical Bibliography», in: History of Classical Scholarship 1, 2019, 174-202.

Ilse Hilbold, Écrire Juliette Ernst. Bibliographie et sciences de l’Antiquité au XXe siècle, Basel: Schwabe, 2021 («Antike nach der Antike», Bd. 1) Open Access

Silvia Guerreiro, «Romanità fasciste, opportunités scientifiques et opportunismes diplomatiques. Les relations entre l’Istituto di studi romani et la Suisse (1932-1944)», in: Studi Romani. Rivista trimestrale dell'Istituto di Studi Romani, im Druck.

Severin Thomi, «Felix Staehelin und die römische Schweiz. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte», Basel: Schwabe («Antike nach der Antike» Bd. 4), Publikation vorgesehen 2023.