Basel als neutrale Drehscheibe für Kriegsressourcen (17. und 18. Jahrhundert)

Dissertation von Noah Businger

Europa war in der frühen Neuzeit von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. In diesem Kontext spielte die Versorgung der Armeen der kriegführenden Fürsten und Republiken eine zentrale Rolle. Jüngste Forschungen der Militärgeschichte und der Politischen Geschichte zeigten auf, dass die Kriegführenden finanzielle, materielle, kommunikative und menschliche Kriegsressourcen in einem arbeitsteiligen, grenzüberschreitenden Fiscal-Military System auftrieben. Als zentrale Drehscheiben für Kriegsressourcen dienten dabei maritime Hubs wie Amsterdam, Hamburg, London und Genua.

Die Untersuchung von kontinentalen Drehscheiben für Kriegsressourcen stellt bislang ein Forschungsdesiderat dar. Das Dissertationsprojekt untersucht das Beispiel der souveränen Stadtrepublik Basel und analysiert, wie Basler Akteur:innen im 17. und 18. Jahrhundert die geostrategischen, ökonomischen und politischen Voraussetzungen der Stadt nutzten, um sie zur zentralen Drehscheibe für Kriegsressourcen am stark umkämpften Oberrhein zu machen, während sie gleichzeitig den zivilen Handel zwischen den verfeindeten Kriegführenden beidseits des Rheins aufrechterhielten.
Mit einem praxeologischen Ansatz wird anhand von Geschäftsunterlagen sowie Protokollen von Kaufmannskorporationen und obrigkeitlichen Gremien untersucht, welche Kriegsressourcen in Basel vermittelt wurden, wie sie zur Aufrechterhaltung des Krieges beitrugen und in welchen Beziehungsnetzen die Basler Akteur:innen grenzüberschreitende Kooperationen für die häufig illegalen Transaktionen herstellten.

Ein weiterer Schwerpunkt des Dissertationsprojekts ist die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Basels Drehscheibenfunktion und der eidgenössischen Neutralität. Das Dissertationsprojekt untersucht einerseits die Bedeutung der neutralen Position für die Drehscheibenfunktion und die damit verbundenen Profitmöglichkeiten der Basler Akteur:innen. Andererseits wird analysiert, wie die wirtschaftlichen Interessen der Basler Akteur:innen die städtische und eidgenössische Neutralitätspolitik beeinflussten.
Untersucht wird dies mittels einer begriffsgeschichtlichen Analyse der semantischen Entwicklung und der pragmatische Anwendung des Neutralitätsbegriffs im Diskursraum Basel. Das Projekt schliesst damit eine Forschungslücke zwischen der schweizerischen und der internationalen Neutralitätsforschung. Während die internationale Forschung in den letzten Jahren zunehmend das Verhältnis zwischen Neutralität und Handel untersucht hat, blieb diese Fragestellung in der Schweizer Historiographie zur Vormoderne bislang weitgehend unbeachtet.