Historisches Institut

Ordinariat Studer

Dr. Eva Keller

Professur für Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte

E-Mail
eva.keller@unibe.ch
Postadresse
Universität Bern
Historisches Institut
Länggassstrasse 49
3012 Bern
Seit 2/2018 Oberassistentin am Historischen Institut der Universität Bern (Abteilung für Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte)
10/2017 Promotion an der Universität Bern mit der Arbeit «Grenzenlose ‹Besserung› hinter Gefängnismauern. Strukturen der Straffälligenhilfe im Raum Basel im 19. Jahrhundert»
9/2015 - 7/2018 Assistentin am Historischen Institut der Universität Bern (Abteilung für Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte)
9/2014 - 8/2015 Visiting Fellow am Centre d’histoire de Sciences Po in Paris mit einem doc.mobility-Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds
9/2012 - 12/2016 Graduate School Gender Studies am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung Bern
10/2011 - 8/2014 Assistentin am Historischen Institut der Universität Bern (Abteilung für Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte)
2010 - 2011 Hilfswissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Universität Bern (Abteilung für Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte)
2009 - 2010 Hilfswissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität Bern (Projekt «Jeremias Gotthelf: Historisch- kritische Edition»)
2004 - 2011 Studium der Geschichte und der deutschen Literaturwissenschaft an der Universität Bern mit Abschluss Master of Arts
  • Geschichte der Gefängnisse und des Strafvollzugs
  • Philanthropie und frühe Sozialpolitik im 19. Jahrhundert
  • Geschlecht und Geschlechterbeziehungen im 19. Jahrhundert

Grenzenlose «Besserung» hinter Gefängnismauern. Strukturen der Straffälligenhilfe im Raum Basel im 19. Jahrhundert

Dissertationsprojekt (abgeschlossen)

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fand im Kanton Basel eine tiefgreifende Umgestaltung des Strafvollzugssystems statt. Wie in weiten Teilen Westeuropas und Nordamerikas setzte sich die Freiheitsstrafe sukzessive als dominierende Strafnorm durch. Mit der Durchsetzung der Freiheitsstrafe als Norm rückten die Orte ihres Vollzugs in den Fokus staatlicher und kirchlicher Organe sowie der christlich-philanthropisch engagierten Bürger und Bürgerinnen Basels. Eine eigens gegründete Kommission der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen in Basel widmete sich ab 1821 verschiedenen Reformen der Basler Zuchtanstalt, des grössten Gefängnisses der Stadt Basel. In enger Zusammenarbeit mit dem Leitungsgremium der Anstalt, der Zuchtanstaltsinspektion, und den in der Anstalt tätigen Geistlichen führten die Philanthropen Schulunterricht und Möglichkeiten zur bezahlten Arbeit ein, bauten Gottesdienst und Seelsorge aus und etablierten in den 1830er Jahren eine Schutzaufsicht für entlassene Sträflinge. Mitte der 1820er Jahre wurde zudem ein Frauenverein gegründet, der sich den weiblichen Sträflingen widmete. Die Praktiken der Straffälligenhilfe entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts stetig weiter: Die verschiedenen Angebote und Massnahmen wurden durch dauernde Aushandlungsprozesse aufeinander abgestimmt, sie griffen teils ineinander, standen sich aber teils auch konkurrierend gegenüber. 
 
Diese Strukturen der Straffälligenhilfe, ihre Entwicklung und Dynamiken stehen im Fokus der Dissertation. Im Vordergrund steht dabei die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteursgruppen. Mittels einer detaillierten, quellennahen Analyse wird die fluide Stellung der Straffälligenhilfe zwischen Strafvollzug und Philanthropie analysiert, indem nach den Beweggründen und Zielsetzungen der verschiedenen Akteure und Akteurinnen, den handlungsleitenden Normen im Umgang mit den Straffälligen sowie den konkreten Praktiken der Straffälligenhilfe gefragt wird. Zusätzlich wird der Blick in zweierlei Hinsicht über die Stadtgrenzen Basels hinaus geöffnet: Zum einen wird immer wieder nach dem Einfluss der transnationalen Gefängnisreformdiskurse auf die Entwicklungen in Basel gefragt. Zum anderen standen die lokalen Akteure und Akteurinnen in stetem Austausch mit Philanthropen, Philanthropinnen und Vereinen anderer Gebiete, sowohl in der Schweiz als auch im angrenzenden Ausland.
 
So gelingt es, zu zeigen, wie sich die Basler Straffälligenhilfe in jahrzehntelangen Anpassungsprozessen entwickelte, die primär von lokalen Bedingtheiten und dem Pragmatismus der Akteure und Akteurinnen geprägt waren. Obwohl sich die Akteure und Akteurinnen des internationalen Gefängnisreformdiskurses als Argumentarium und Inspiration bedienten, waren es stets die Bedingungen und Möglichkeiten vor Ort, welche für die Umsetzung von Reformideen ausschlaggebend waren. Mit der Analyse der entsprechenden Aushandlungsprozesse und Dynamiken stellt die Studie einen Beitrag zum wachsenden Forschungsfeld über die Straffälligenhilfe und der Gefängnisreformbewegung dar. Weiter bietet sie Erkenntnisse für die stetig wachsende Forschung zur Geschichte der Philanthropie und der frühen Sozialpolitik. So zeigt die detaillierte Aufarbeitung der Quellenbestände, wie eng die Zusammenarbeit zwischen den männlichen Philanthropen und den Regierungs- und Strafvollzugsvertretern sich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts gestaltete – was eng damit zusammenhing, dass sich beide Akteursgruppen aus derselben sozialen Schicht rekrutierten. Schliesslich liegt ein zentraler Fokus der Studie auf dem Umgang der Straffälligenhelfer und  helferinnen mit dem Grenzraum rund um die Stadt Basel. Dabei wird deutlich, dass weder Kantons- noch Nationsgrenzen für das Engagement in der Straffälligenhilfe als Hindernis betrachtet wurden. Sowohl die Kommission der Gemeinnützigen Gesellschaft als auch der Frauenverein für weibliche Sträflinge bewegte sich während des gesamten 19. Jahrhunderts frei im Grenzraum, dies beispielweise durch die Unterbringung von Entlassenen in verschiedenen angrenzenden Gebieten. So bietet die Studie, deren Veröffentlichung als Monographie auf Anfang 2019 geplant ist, auch Aufschluss über die transnationale Zusammenarbeit zwischen Philanthropen, Philanthropinnen und staatlichen Stellen sowie über den Umgang mit der stets hochmobilen Population von Kriminellen.