Das Konzept des Paradoxen und seine Auswirkungen im dritten Jahrhundert u. Z.

SNF Ambizione Projekt durchgeführt von Dr. Monika Amsler

Das vorliegende Projekt will die Stellung des Wundersamen und Paradoxen innerhalb des Naturkonzepts im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung untersuchen und analysieren, wie sich dieses Naturverständnis auf intellektuelle Entwicklungen auswirkte und der Innovation diente.

Bestimmte intellektuelle Phänomene der römischen Kaiserzeit lassen sich deutlich von früheren und späteren unterscheiden. Ab dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung sehen wir zum Beispiel eine Zunahme von Wundergeschichten von Halbgöttern, Philosophen und Cäsaren, gefolgt von ähnlichen, christlichen Geschichten über Märtyrer und Heilige; Vorstellungen von Engeln und Dämonen werden systematisiert; und materielle Unwahrscheinlichkeiten wie die Inkarnation, Transsubstantiation oder die Jungfrauengeburt beschäftigen theologische Diskussionen. Unverständliche Worte werden verwendet, um Veränderungen sowohl an Lebewesen als auch an toter Materie zu bewirken; Edelsteine und Ringe, die seit jeher zur Heilung von Krankheiten verwendet wurden, erscheinen nun beschriftet und verziert mit unüblichen Zeichen. Gleichzeitig entfernt sich die Medizin von der Theorie und bevorzugt stattdessen komplexe Rezepte, deren Wirkungsbereich die Grenzen des Körpers überschreiten und wirtschaftliche als auch soziale Probleme mit einbeziehen. Traditionellerweise wurden diese Phänomene in der Geschichtsschreibung aus dem Blickwinkel der aufkommenden christlichen Lehren verhandelt mit der Schlussfolgerung, dass sie heidnische Überbleibsel oder reine Magie darstellen würden. Mit diesem Ansatz konnte jedoch nicht erklärt werden, warum Bischöfe und andere bedeutende Theologen sich ebenfalls an diesem Paradigma beteiligten.

«Pallazzo Massimo alle Terme»
Ein geometrisches Mosaik das eine optische Illusion suggeriert. «Palazzo Massimo alle Terme», Museo Nationale Romano, Rom. Bildquelle: Wikimedia Commons.

Das vorliegende Projekt bevorzugt demgegenüber die Analyse dieser Phänomene aus der Perspektive des damaligen Konzepts von «Natur» und stellt die These auf, dass im Vergleich zum modernen Naturverständnis insbesondere dem Paradoxen, als einer der eigenen Erwartung zuwiderlaufenden Beobachtung oder Annahme, eine andere Funktion zukam. So verbindet zum Beispiel alle oben beschriebenen Phänomene ein fester Glaube an die materielle Existenz des Wunderbaren und die Möglichkeit, es sich zu Nutze machen zu können. Das Wunder wird als immanenter Bestandteil natürlicher Gegebenheiten wahrgenommen und nicht, wie im modernen Paradigma, als mit einem übernatürlichen Bereich oder mit Unwissenheit verbunden.

Eine der vielen mittelalterlichen Interpretationen des mazedonischen Auerochsen, der, wenn in Gefahr, seine Verfolger mit brennendem Kot abwehrt. Die Beschreibung dieser speziellen Eigenart findet sich bereits in der Antike bei Antigonus, bei Aristoteles und später bei Plinius und Aelian (https://sites.google.com/site/paradoxography/texts/antigonus?pli=1). Bildquelle: Wikimedia Commons.

Das Projekt konzentriert sich auf das dritte Jahrhundert unserer Zeitrechnung, einem ebenso produktiven wie turbulenten Jahrhundert. Durch den Vergleich mit früheren und späteren Wissenssystemen lässt sich der Einfluss des Paradigmas des Wunders auf die Literatur, die Medizin, Alchemie und Technologie nachzeichnen. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zum Verständnis anderer Wert- und Wissenssysteme sowie der Geschichte unserer eigenen Wissensproduktion.

Das Projekt läuft vom 01. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2026.

Projektleitung