Felix Staehelin und das Bild der römischen Schweiz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Arbeitstitel)
Dissertationsprojekt
Betreuer: Prof. Dr. Stefan Rebenich / Prof. Dr. Thomas Späth
Im Jahr 1927 veröffentlichte der Basler Althistoriker Felix Staehelin sein Buch „Die Schweiz in römischer Zeit“. Die Publikation – die 1931 sowie 1948 erneut aufgelegt wurde – etablierte sich sofort als Standardwerk zum Thema und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem massgeblichen Bezugspunkt jeglichen Diskurses zur Schweiz in der Antike.
Das vorliegende Dissertationsprojekt untersucht Entstehung, Methodik, Inhalt und Rezeption des Buches und verortet es zeit- und wissenschaftsgeschichtlich. Hierbei wird das Werk in einem multiperspektivischen Ansatz in seine relevanten historischen Zusammenhänge eingeordnet und so die spezifische Signifikanz von Staehelins Untersuchung herausgearbeitet.
Neben werkimmanenten Aspekten steht erstens der Autor selbst im Fokus, der einerseits als durch seine sozialen und diskursiven Bedingungen geprägter, und andererseits als durch sein Handeln im akademischen und wissenschaftlichen Feld sowie durch seine diskursive Wirksamkeit prägender Akteur gefasst wird. Staehelins akademischer und intellektueller Werdegang wird vor dem Hintergrund der zeithistorischen Gegebenheiten nachgezeichnet und in Hinblick auf seinen entscheidenden Einfluss auf das Bild der „römischen Schweiz“ analysiert.
Es wird sodann aus einer fachgeschichtlichen Perspektive danach gefragt, wie sich Staehelins Werk hinsichtlich Methodik, Narration, Geschichts- und Kulturverständnis in die Althistorie der Zeit einfügt. Staehelins Publikation wird hierbei als zentrales Element des altertumswissenschaftlichen Umgangs mit der Denkfigur „Schweiz in römischer Zeit“ verstanden, welches in Relation zu weiteren Beiträgen (etwa von Theodor Mommsen, Theophil Burckhardt-Biedermann, Rudolf Laur-Belart, Eugen Täubler, Ernst Meyer) das „Bild“ bzw. den diskursiven Gegenstand „römische Schweiz“ für das 20. Jahrhundert massgeblich neu konstituiert.
Weiter interessiert die Bedeutung von Staehelins Untersuchung innerhalb des nationalgeschichtlichen Diskurses zur antiken Schweiz. Die Eingliederung der helvetischen und römischen Epoche in ein nationalgeschichtliches Narrativ hat in der Schweiz eine lange Tradition. Es ist hier zu fragen, ob und wie sich Staehelins Beitrag in diese Tradition einschreibt.
Ebenfalls wird eine Kontextualisierung der altertumswissenschaftlichen und nationalgeschichtlichen Auseinandersetzung mit den politischen Debatten der Zeit angestrebt und die Signifikanz von Staehelins Studie für die schweizerischen Identitätsdiskurse der Zeit herausgearbeitet. Das Bild einer „römischen Schweiz“ wird also ebenfalls auf seinen Platz in der „Gebrauchsgeschichte“ (Guy P. Marchal) hin befragt.
Die chronologischen Etappen, die durch die Abfassung und jeweiligen Überarbeitungen des Werks durch Staehelin und die damit korrespondierenden Publikationsdaten (1927, 1931, 1948) vorgegeben sind, erlauben eine diachrone Perspektive mit eindeutigen Schwerpunktsetzungen.