Arbeitgeberverbände, Revolutionsängste und Antikommunismus in der Schweiz nach 1918 (Arbeitstitel)

Dr. Roman Rossfeld

Teilprojekt 1 beschäftigt sich mit den Revolutionsängsten und dem Verhalten der Arbeitgeber(verbände) während des Landesstreiks sowie den Zwischenkriegsjahren. Für das Bürgertum stellten nicht nur der erstmalige Streik der Zürcher Bankangestellten vom 30. September bis 1. Oktober 1918, sondern auch die revolutionären Umbrüche im Ausland eine Bedrohung der bestehenden Ordnung dar. Zugleich war vom Volk bereits Mitte Oktober 1918 (gegen den Willen des Bundesrates) die Einführung des Proporzwahlrechtes gutgeheissen worden, was in den Nationalratswahlen von 1919 fast zu einer Verdoppelung der Sitze der SP führte, die nun die zweitstärkste Fraktion nach dem Freisinn wurde. Das Bürgertum reagierte auf diese Entwicklungen schon während des Krieges mit einer antisozialistischen Konfrontationspolitik, die nach dem Krieg weiter akzentuiert wurde. Nicht nur für Hans Ulrich Jost ist die Epoche des Landesstreiks mit dem «Durchbruch des Neokonservatismus» gleichzusetzen. Eine wichtige Rolle dürften dabei die Arbeitgeberverbände gespielt haben, in ihrem Selbstverständnis «Kampforganisationen» mit einem den Gewerkschaften in nichts nachstehenden Wortschatz. Bis heute ist aber nur wenig über die Ansichten und Befürchtungen des Bürgertums und die Politik der schweizerischen Arbeitgeberverbände, Gewerbevereine oder Handels- und Industrievereine in den Kriegs- und Nachkriegsjahren bekannt.

 

Das Projekt fragt deshalb nach der Einschätzung der Ereignisse durch die Arbeitgeber­verbände, ihrer Rolle bei der Durchsetzung der Präventionsstrategie von Ulrich Wille und ihrer Haltung zum Antikommunismus (beziehungsweise dem «Schweizerischen Vaterlän­dischen Verband» und der «Entente Internationale Anticommuniste»). War das Vorgehen – wie in der Arbeiterschaft – auch in den Arbeitgeberverbänden umstritten; wurde ein Zusammenhang zwischen den teilweise hohen Unternehmensgewinnen, der wachsenden Teuerung und der zunehmenden sozialen Not hergestellt; und wurde im privaten Rahmen anders über die Ereignisse gesprochen als in der Öffentlichkeit? Wie beurteilte man den Verlauf und die Folgen des Streiks, und kann die Herausbildung einer staatsinterventionistischen Wirtschaftspolitik in den 1930er Jahren auch als Reaktion auf die Ereignisse im November 1918 verstanden werden?