Forschung Wirtschafts-, Sozial- und Umwelt-Geschichte

Klima und Gesellschaft in der Vormoderne

Projektinfo

Das Habilitationsprojekt „Klima und Gesellschaft in der Vormoderne: Eine vergleichende Studie zur Anpassung an extreme Witterung und Klimawandel im Schweizer Mittelland, der Normandie und Yorkshire von 1315 bis 1715“ fokussiert auf Klimafolgen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Der zeitliche Ausgangspunkt bildet dabei der Beginn der Kleinen Eiszeit und die grosse Hungersnot, die Europa zu Beginn des 14. Jahrhunderts heimsuchte. Am Ende des Untersuchungszeitraumes steht das ausgehende Maunder Minimum, ein Sonnenminimum mit auffallenden Folgen für die klimatischen Bedingungen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

Klimafolgen sind auf verschiedenen Ebenen feststellbar. Auf einer biophysikalischen Ebene sind etwa die räumliche Verbreitung von Wildpflanzen bzw. -tieren oder die Erntemengen unmittelbar vom Witterungsverlauf beeinflusst. Unter Klimafolgen, die sich einer biologischen, sozioökonomischen oder kulturellen Ebene zuordnen lassen, fallen beispielsweise Epidemien bei Mensch und Tier, Subsistenzkrisen, die Siedlungsstruktur, Aufstände, die religiöse Praxis oder die Gesetzgebung.

Viele Klimafolgen lassen sich auf unterschiedlichen zeitlichen Ebenen betrachten. In den Bereich der langfristigen Entwicklungen gehören etwa der Aufstieg und Niedergang ganzer Zivilisationen, der Verlauf von Handelsrouten oder Siedlungsgrenzen. Auf der mittleren zeitlichen Ebene sind konjunkturelle Grössen angesiedelt, wie Getreidepreise oder die Bevölkerungsgrösse. Zu den kurzfristigen Klimafolgen zählen Subsistenzkrisen, Aufstände oder etwa Hexenverfolgungen.

Im Rahmen dieses Projekts werden Klimafolgen auf den verschiedenen inhaltlichen und zeitlichen Ebenen an drei europäischen Standorten untersucht und in ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext gestellt. Der Fokus der Untersuchung richtet sich dabei im westlichen Schweizer Mittelland auf die beiden Städte Freiburg und Bern sowie auf das Zisterzienserkloster Hauterive südwestlich von Freiburg, in der Normandie auf die Stadt Rouen und das Zisterzienserkloster Le Valasse sowie in Yorkshire auf die Stadt York und die Zisterze Fountains Abbey.

Als Quellen dienen für Bern und Freiburg in erster Linie die erhaltenen Ratsmanuale, Seckelmeisterrechnungen, Chroniken, Annalen und weitere narrative Texte. Aus der Buchhaltung des Klosters Hauterive sind reichhaltige und vor allem über einen längeren Zeitraum erhaltene Abrechnungen, Urbare und Zinsrödel erhalten, die einen einzigartigen Einblick in die Wirtschaftsführung dieses Klosters erlauben.

Ähnliche Quellen sind für die Stadt Rouen und das Zisterzienserkloster Le Valasse in der Normandie sowie für York und Fountains Abbey, ebenfalls eine Niederlassung des Zisterzienserordens, in Yorkshire vorhanden. Im Rahmen des Advanced Postdoc.Mobility sollen diese Quellen untersucht und bearbeitet werden. Ziel des Projekts ist es, mittels eines historisch-analytischen Vergleichs und einem transnationalen Ansatz folgend, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang der verschiedenen Gesellschaften mit extremer Witterung, Klimavariabilität und Klimafolgen zu untersuchen. Dieses Vorgehen dient insbesondere dazu, diese Phänomene und Prozesse im Bereich der Klimafolgen schärfer nachzeichnen und typologisieren zu können, ohne sie aus ihrem historischen Kontext zu lösen.